Ein Gedenkkonzert im Hochzeitsgarten in Weilerswist, eine zentrale Gedenkfeier in der Herz-Jesu-Kirche mit dem Bundespräsidenten Steinmeier und der Innenministerin Faeser in Euskirchen, eine Gedenkfeier im Kurpark Bad Neuenahr, die allein 155.000 € kostet. (Bei anderen Veranstaltungen sind die Kosten nicht bekannt.) Weitere, unzählige Veranstaltungen – muss das alles sein?
Wir wissen inzwischen alle, dass die Flutkatastrophe zwar nicht verhindert, aber doch in ihren Auswirkungen erheblich gemindert hätte werden können, wenn es funktionierende Meldeketten gegeben hätte, wenn Warnungen von Umweltschützer:innen, Meldungen der Meteorolog:innen beachtet worden wären, ja wenn…
Wenn aber eine ähnliche Wetterlage in den nächsten Wochen entstünde, wären wir dann heute vor einem weiteren „Jahrhunderthochwasser“ gerüstet, ein Jahr danach? Wohl kaum.
Unzählige Haushalte mussten nach der Flutkatastrophe ihre Heizungsanlagen erneuern lassen, die Wahl fiel zumeist auf Gasheizungen als Kompromiss zwischen Erneuerung und bezahlbarem Anschaffungspreis. Die durch die Flut gebeutelten Haushalte haben da aktuell erhebliche Folgeschäden durch die nicht vorhersehbaren Teuerungen. Das trifft zwar nicht nur diese Haushalte, aber hier wirkt es oftmals doppelt.
Unzählige Familien haben immer noch wieder kein Dach über dem Kopf, sowohl staatliche Hilfen wie Spendengelder sind längst noch nicht in dem Maße geflossen, wie angekündigt.
Es gibt immer noch Menschen unter uns, die mit den Traumata der Flutnacht noch lange nicht umgehen können. Jede Erinnerung an die Flutnacht ist da auch eine mögliche Retraumatisierung.
Wenn unser Autor an die Flutnacht zurückdenkt, dann ist da vor allem ein ungeheures Gefühl der Dankbarkeit: dankbar, in der eigenen Gemeinde keine Menschenleben beklagen zu müssen. Dankbar für jede empfangene Hilfe, dankbar, selbst geholfen haben zu können. Dankbar für ein Zusammenwachsen von Nachbarschaft in dieser Notlage. Dankbar für die Präsenz der Feuerwehr, auch wenn sie in der eigenen Straße nichts machen konnte, das Wasser stand zu tief für die Fahrzeuge, aber die Menschen der Straße waren alle in Sicherheit, also konnte die Feuerwehr dorthin fahren, wo sie nützlicher war – aber sie war selbstverständlich da! Und das ist es vielleicht, was wichtig an den Erfahrungen dieser Flutnacht (und der folgenden Tage) war: die Selbstverständlichkeit, mit der sich geholfen wurde.
Aber genau diese Selbstverständlichkeit findet man bei solchen Gedenkfeiern nicht: Da werden alle Helfer:innen natürlich geehrt, da wird Feuerwehr, THW, DRK und wer alles organisiert vor Ort tätig war, gefeiert – aber für all diese ehrenamtlichen Helfer:innen war ihr Einsatz selbstverständlich, auch wenn des Umfangs der Katastrophe wegen viele von ihnen an ihre Grenzen kamen.
Aber genauso selbstverständlich holt ein Nachbar seinen Benzingenerator raus und die Nachbar:innen ihre Benzinkanister, um damit alle mit Notstrom zu versorgen. Genauso selbstverständlich kocht in einem anderen Haus auf dem einzigen funktionierenden Gasfeld das Kaffeewasser für die ganze Straße – und genauso selbstverständlich werden die Holzkohlegrills angeworfen und die auftauenden Vorräte der Tiefkühltruhen gemeinsam verzehrt. –
In diesem selbstverständlichen Handeln lag in dieser Nacht, am nächsten Tag, gleichzeitig so viel Zuversicht und Kraft, dass trotz enormer Schäden für Verzweiflung kein Raum da war.
Verzweiflung kam und kommt erst im Nachhinein auf: Die Flutkatastrophe ist in ihren Folgen für viele, zu viele Menschen noch nicht vorbei, noch nicht bewältigt, da kämpfen immer noch Menschen gegen Formulare und Versicherungen um ihre Existenz.
Neben den einzelnen Privatschicksalen aber bedrückt die Langsamkeit der Bürokratie: Eine Aufarbeitung der Flut durch Erftverband, die Kommunen, Kreis und Land ist zwar in Arbeit, aber weit davon entfernt, auch nur ansatzweise fertige Lösungen für eine sicherere Zukunft zu präsentieren – da kommt Gedenken viel zu früh.
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