Entscheidungen sollten Informiert getroffen werden – hier: Kunstrasen vs. Naturrasen

Im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung am 28.10. standen die Sanierungen der von der Flut zerstörten Kunstrasenplätze des TuS Vernich und des SSV Weilerswist auf der Tagesordnung. Nach der einstimmigen Zustimmung des Rates, den TOP in Teilen im öffentlichen Teil zu behandeln, hat unsere Ratsfraktion gefordert, fachliche Fragen die im Zusammenhang mit der Erneuerung der Sportplätze in die zuständigen Ausschüsse zu verweisen, um letztendlich eine fundierte Entscheidung treffen zu können, die auf Fakten und nicht auf einem Bauchgefühl oder gar der Forderung von Mitgliedern der betroffenen Vereinen basiert. Diesem Antrag hat ein erschreckend großer Teil des Rates nicht zugestimmt. Das wollen und können wir nicht unkommentiert stehen lassen!

Im Folgenden werden wir nicht auf die Vergabe als solche eingehen, da diese im nichtöffentlichen Teil der Sitzung erfolgte. Stattdessen argumentieren wir mit verifizierbaren Zahlen aus diversen Gutachten.

Vorweg: Auch wir möchten, dass Breitensport und Vereinssport so schnell wie möglich wieder in geregelten Bahnen laufen kann. Sportliche Betätigung ist insbesondere für unsere Kinder und Jugendlichen extrem wichtig. Wir bezweifeln jedoch, dass dies nur auf Kunstrasen möglich sein soll.

Mit welcher Vehemenz Umweltschutz und Kostenüberlegungen gestern über den Haufen geworfen wurden, erstaunt uns hingegen sehr. Auch wenn sich die Mehrheit des Rates nicht für Fakten zur Abwägung einer Entscheidung der Frage nach Kunst- oder Naturrasen zu interessieren scheint, wollen wir euch diese nicht vorenthalten:

1.) Ein Kunstrasenplatz kostet circa das Dreifache eines Naturrasenplatzes. Der Pflegeunterhalt von Naturrasenplätze ist im Vergleich zu Kunstrasenplätzen, die mit Sand statt Granulaten gefüllt werden, nur unwesentlich teurer. Nach zwölf Jahren – der Haltbarkeit eines Kunstrasenplatzes – betragen die Kosten eines Naturrasenplatz immer noch weit unter der Hälfte der Kosten eines Kunstrasenplatzes!

Auch wenn die Sanierung aus Landesmittel finanziert wird und die Gemeindekasse nicht unmittelbar belastet, handelt es sich doch um Steuergelder – das spielte bei Entscheidungen im Rat aber offenbar keine Rolle.

2.) Kunstrasenplätze halten einer stärkeren Belastung aus als Naturrasenplätze. Dies wirkt sich jedoch erst aus, wenn die Plätze mehr als 900 Stunden im Jahr benutzt werden.

Im Bereich des SSV Weilerswist gibt es neben dem bisherigen Kunstrasenplatz einen Naturrasenplatz. Es ist in jedem Fall zu hinterfragen, ob nicht – bei entsprechender Platzsperre von Platz A zur Regeneration bei Nutzung von Platz B – auch mit dem verstärkten Nutzungsaufkommen durch Teile des Schulsports mit reinen Naturrasenplätzen gearbeitet werden könnte.

Verifizierbare Zahlen hierzu wurden zur Entscheidung im Rat nicht vorgelegt.

3.) In weiten Flächen der Gemeinde befindet sich immer noch Granulat, das bei der Überschwemmung von den Plätzen in der Natur verteilt wurde. Von der Problematik, die durch Mikroplastik entsteht, scheint sich in Weilerswist kaum jemand beeindrucken zu lassen. Im Gegenteil. Die Verwaltung ist der Ansicht, dass das verteilte Granulat Problem derjenigen ist, auf deren Fläche es aktuell liegt.

Es bleibt zu prüfen, ob mit der Entscheidung für einen mit Granulat verfüllten Kunstrasenplatz nicht auch billigend Umweltschäden in Kauf genommen wurden.

4.) In der Ratssitzung wurde behauptet, es habe bereits in Fachausschüssen ausreichend Diskussion über die Pros und Contras Kunstrasen gegeben: Tatsächlich wurde aber lediglich einvernehmlich – für den Fall neuerlichen Verlegens von Kunstrasens – die Verwendung von Granulat abgelehnt. Eine wirklich tiefergehende Erörterung fand nicht statt und scheint offensichtlich auch nicht erwünscht gewesen zu sein. Über die Gründe hierüber könnte man ausschweifend spekulieren.

Abschließend eine Bemerkung zur aktuellen Kunstrasenplanung: Statt Granulat Sand zu verwenden, ist natürlich immerhin besser als gar nichts zu ändern. Gleichzeitig bedeutet dies aber, beim Kunstrasen zum Teil auf das zu verzichten, was ursprünglich das Hauptargument für Kunstrasen war: die ganzjährliche Bespielbarkeit des Sportplatzes. Spätestens wenn der Sand feucht ist und es friert, kann der Platz nicht genutzt werden – es sei denn, man nimmt billigend in Kauf, dass der Kunstrasen selbst geschädigt wird und mehr als den üblichen Abrieb an Mikroplastik an die Natur abgibt.

Am Ende bleibt nach der Nutzungsdauer eines Kunstrasenplatzes immer noch das Problem dessen Entsorgung – ein weiterer Kostenfaktor den die Gemeinde zukünftig zu tragen hat.

Auf Grundlage dieser Gründe haben wir uns für eine Vertagung ausgesprochen, um allen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, kompetent zu entscheiden. Hierum ging es gestern aber wohl überhaupt nicht.

Unserer Ansicht nach kann angesichts der Ereignisse im Juli und auf Basis genereller Überlegungen zu Umweltschutz und Klimawandelfolgenanpassung ein Kunstrasen immer nur die letzte aller möglichen Entscheidungen sein – und muss insbesondere vor dem Hintergrund des einstimmigen Beschlusses des Rates bei Entscheidungen Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes miteinzubeziehen, gut überlegt sein. Wenn uns nachgewiesen würde, dass es keine echte Alternative zu Kunstrasen gäbe, würden wir uns auch dafür entscheiden können: Auch ein Naturrasen ist schließlich keine besonders artenreiche Fläche, auch wenn selbst dieser zur Verbesserung eines lokalen Klimas beitragen kann, als CO2-Senke fungiert und Feinstaub filtert.

Wir sind uns sicher, dass wir – entgegen der Annahme fast aller Mitglieder der anderen Parteien – nicht die einzigen in Weilerswist sind, die kein Verständnis für diesen leichtfertigen Umgang mit unserer Umwelt und unseren Steuergeldern haben.

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